Sonderlösung für Temperatursimulation in der E-Mobilität
Im kommenden Jahrzehnt werden die CO2-Grenzwerte in wichtigen Automobilmärkten weiter verschärft. Da sich nicht nur die gesetzlichen Vorgaben, sondern auch die Kundenpräferenzen von Land zu Land unterscheiden, setzt der neue Unternehmensbereich E-Mobilität des Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler auf eine Vielfalt unterschiedlicher Antriebslösungen. Große Markterfolge erzielt Schaeffler inzwischen mit Doppelkupplungen und Hybridmodulen für Hybridfahrzeuge, bei denen der elektrische Antrieb zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe positioniert ist. Auf die größere Störungsanfälligkeit von elektrischen Antrieben gegenüber Verbrennungsmotoren reagiert der Automobilzulieferer verstärkt mit Tests unter extremen Temperaturbedingungen.
Um eine einwandfreie und langlebige Funktion von beispielsweise Trennkupplungen gewährleisten zu können, müssen die Komponenten bei Dauerlauftests möglichst realen Umgebungsbedingungen und wechselnden Extrem-Temperaturen ausgesetzt werden. Gleichzeitig finden bei den Tests unter anderem Temperaturmessungen, Messungen von Schleppmomenten bei unterschiedlichen Temperaturen sowie Funktionsmessungen statt.
Temperieranforderungen von Schaeffler:
Für den Qualitätstest der Trennkupplung benötigt Schaeffler eine Testumgebung, die das exakte Simulieren von Umgebungstemperaturen ermöglicht. Die Anforderung liegt darin, die Prüflinge während Dauerlauftests Umgebungstemperaturen von -40 °C bis +120 °C auszusetzen. Um lange Ausfall- bzw. Wartezeiten bei vorgegebenen Temperaturänderungen zu vermeiden, ist ein schneller Temperaturwechsel von +30 °C auf -30 °C innerhalb von 1 ½ Stunden vorausgesetzt. Gefordert ist eine platzsparende kompakte Lösung, bei der die Luft innerhalb der Haube temperiert wird.
Lösungsansatz von JULABO:
Zum Einsatz kommt ein luftgekühlter PRESTO A85 in Kombination mit einem Wärmeübertrager. Für die notwendige Luftzirkulation sorgt ein speziell angepasster leistungsstarker Lüfter mit verstellbarer Drehzahl. So kann für größere Prüflinge die Drehzahl erhöht und dadurch der Luftstrom verbessert werden. Lüfter und Wärmeübertrager sind innerhalb einer Kammer aus Edelstahl installiert. Der an den Wärmeübertrager angeschlossene PRESTO ist außerhalb neben der Kammer platziert. Getestet wird in einem Temperaturbereich von -40 °C bis +140 °C. Mit einer Abkühlzeit von +140°C auf -30 °C in rund 50 Minuten ermöglicht der PRESTO einen schnelleren Temperaturwechsel als er von Schaeffler vorgegeben wird.
Vorversuche bei JULABO
Erste Vorversuche finden in einem provisorischen Versuchsaufbau bei JULABO statt (Abb. 3). Später wird der Wärmeübertrager mit Lüfter an einer Haube aus Edelstahl angebracht (Abb. 4). Der Lüfter saugt die Luft oberhalb und unterhalb des Wärmeübertragers aus dem vorderen Bereich der Kammer an und presst sie anschließend durch die von dem PRESTO A85 temperierten Lamellen des Wärmeübertragers zurück. So wird die gekühlte oder erwärmte Luft konstant in das Kammerteil mit dem Prüfling abgegeben.
Herausforderungen für JULABO
Durch das Arbeiten mit extremen Temperaturen im Minus- und Plusbereich ergeben sich während den Tests folgende Herausforderungen: Die elektromechanischen Teile des Standardlüfters sind nicht für die geforderten Extremtemperaturen von -40 °C bis +140 °C ausgelegt. Um die temperaturempfindlichen Teile des Lüfters nicht innerhalb der Haube zu betreiben, modifizieren die Temperierspezialisten von JULABO den Lüfter entsprechend den Anforderungen und bringen den eigentlichen Antriebsmotor außerhalb der Kammer an (Abb. 5).
Eine weitere Herausforderung beim Arbeiten mit Minustemperaturen ist die Bildung von Kondenswasser und daraus entstehende Eiskristalle. Die Luft in der Prüfkammer enthält durch das geringe Kammervolumen nur einen niedrigen Prozentsatz an Luftfeuchtigkeit. Um keine weitere Luftfeuchtigkeit durch Frischluft zuzuführen, muss die Kammer luftdicht isoliert und abgedichtet sein. Die geringe Kondenswasser- bzw. Eiskristallbildung aus der vorhandenen Luftfeuchtigkeit hat keinerlei Einfluss auf die Temperierung und ist zu vernachlässigen.
Materialbedingt kann sich das Gehäuse des Wärmeübertragers durch extreme Temperaturwechsel verformen. Bei steigenden Temperaturen, getestet ab einer Raumtemperatur von 20 °C, dehnt sich das Material des Gehäuses langsam aus. Bei abfallenden Temperaturen zieht sich das Material wieder zusammen. Zwar hat die Verformung keinerlei Einflüsse auf den Temperiervorgang, kann sich jedoch auf die Position und Passgenauigkeit der Anschlüsse auswirken. Durch eine entsprechende Verstärkung der Gehäusewände wird einer Verformung durch Temperaturveränderungen verhindert.
Einer Erwärmung bzw. Abkühlung der Außenwände durch den Kontakt zwischen Edelstahl und Wärmeübertragerer wird mit entsprechenden konstruktiven Maßnahmen vorgebeugt. Das Einsetzen spezieller Materialien verhindert Berührungspunkte zwischen Wärmeübertrager und Edelstahl. Durch diese thermische Entkoppelung wird zusammen mit der Isolierung sichergestellt, dass es bei Berührungen des Gehäuses nicht zu Verbrennungen kommt oder sich durch starkes Abkühlen Kondenswasser bildet.
Fazit:
Für die Konstrukteure des Automobil- und Industriezulieferers war die Zusammenarbeit mit einem zuverlässigen und kompetenten Partner eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung des Projektes.
Daher wurden verschiedene Temperierspezialisten in Bezug auf die speziellen Anforderungen von Schaeffler kontaktiert. Nur das Beratungsteam von JULABO signalisierte sofortige Bereitschaft für die Entwicklung der gewünschten Sonderlösung. Neben der langjährigen Erfahrung und Kompetenz war diese Flexibilität für LUK/Schaeffler ausschlaggebend, sich für JULABO zu entscheiden.
Mit nur zwei Monaten Entwicklungszeit hat JULABO eine Wärmeübertragereinheit gebaut, die alle Anforderungen zum Teil weit über die Vorgaben erfüllte. In intensiver Zusammenarbeit mit Schaeffler entstand eine Temperierlösung für eine universale Umhausung, in der verschiedene Prüflinge im Dauer- sowie Funktionstest exakt simulierten Umgebungs- und Extremtemperaturen ausgesetzt werden können (Abb. 7).
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