Temperiertechnik für die Raumfahrt

Das Weltall ist unendlich – und gnadenlos. Das bekommen bereits die Satelliten zu spüren, die um die Erde kreisen. Vor allem die extremen Temperaturunterschiede zwischen Sonnen- und Schattenseite der Erde stellen auf der Umlaufbahn der Satelliten eine echte Herausforderung dar. Da Wartung oder Reparatur unmöglich sind, müssen alle Materialien und Bauteile sowie der Satellit selbst intensive Tests durchlaufen, bei denen Temperatur- und Vakuumbeständigkeit eine entscheidende Rolle spielen.

Satelliten und die Bedingungen, unter denen sie funktionieren müssen

Kommunikation und Internet, Wetterprognosen, TV-Programme – der moderne Mensch kommt im Zivilleben ohne satellitenvermittelte Dienste nicht mehr aus. Sie liefern die Basis der globalen Vernetzung. Um die Erde kreisen mehr als 2.000 funktionstüchtige Satelliten  und die internationale Raumstation ISS .

Vakuum und Temperaturextreme stellen enorme Ansprüche an Material und Technik. So herrschen auf dem Mond während der langen Sonnenphase beispielsweise Temperaturen von bis zu +120 °C, während es in der Schattenphase bis zu -130 °C kalt wird . Bei technischen Geräten im All kommt die intern erzeugte Temperatur z. B. der Steuerungselektronik hinzu. Die Herausforderung bei der Entwicklung von Satelliten liegt daher darin, die sensible Technik sowohl vor einer Überhitzung als auch vor einem kältebedingten Ausfall zu bewahren.

Das Vakuum macht dies nicht leichter: Während auf der Erde zum Temperaturausgleich eine Wärmeleitung durch Konvektion erfolgen kann, ist dies im Vakuum nicht möglich. Temperaturen, die über –270 °C liegen, werden im All in erster Linie durch die direkte Strahlung der Sonne erzeugt. Ihre Entstehung hängt daher auch davon ab, wie stark die Strahlung vom bestrahlten Material absorbiert wird. Darüber hinaus nimmt das Vakuum Einfluss auf den Aggregatzustand von flüssigen Medien: Schmiermittel zum Beispiel verdampfen durch den fehlenden Luftdruck.

Temperaturmanagement im Weltall

Damit die Temperatur durch die Sonne nicht zu hoch wird, kommen Außenmaterialien zum Einsatz, die einen Großteil der Strahlungsenergie reflektieren. Manche Satelliten rotieren auch um die eigene Achse, um die direkte Sonneneinstrahlung gleichmäßig zu verteilen. Um die Betriebstemperatur im Inneren des Satelliten zu gewährleisten, werden teilweise zusätzliche Heizer verbaut, die im Gegensatz zur direkten Sonneneinstrahlung eine definierte Temperierung ermöglichen. Darüber hinaus können Komponenten mit isolierendem Material verpackt werden. 

Im Entwicklungsprozess eines Satelliten kommen zunächst Thermalmodelle zum Einsatz, mit deren Hilfe die Temperaturentwicklungen im Satelliten berechnet werden. Auf dem Prüfstand werden diese Modelle dann unter möglichst realen Bedingungen getestet, die insbesondere den geringen Druck, die Temperaturextreme sowie schnelle Temperaturwechsel einschließen. 

In den meisten Branchen werden Produkte lediglich in der Entwicklungsphase intensiv getestet. Danach reichen regelmäßige Stichproben zur Qualitätssicherung. Ganz anders in der Raumfahrt: Jeder einzelne Satellit wird einer vollständigen Testreihe unterzogen, die mehrere Wochen dauern kann. Dies ist nicht nur dem enormen Aufwand und den Kosten jedes Starts ins All geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass Wartung oder Reparatur im All unmöglich sind. Außerdem muss sichergestellt sein, dass ein Satellit beim Start die Trägerrakete nicht gefährdet.

Die Thermal-Vakuum-Kammer im Einsatz

Alle Betriebs- und Belastungstests von Satelliten sowie einzelner Komponenten in ihnen finden in sogenannten Thermal-Vakuum-Kammern statt, in denen sowohl Druck als auch Temperatur exakt reguliert werden können. Je nach Größe des Prüflings muss die Thermal-Vakuum-Kammer beachtliche Ausmaße haben. Die Mehrzahl der Satelliten ist heute jedoch sehr kompakt: Die als Cube-Satellites bezeichneten Kleinsatelliten sind nur etwa so groß wie ein Schuhkarton. Die geringe Größe macht nicht nur den Transport in die Umlaufbahn günstiger, sondern sorgt auch dafür, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung durch Weltraumschrott und Meteoroide geringer ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie in deutlich kleineren Thermal-Vakuum-Kammern getestet werden können, die in der Anschaffung und im Betrieb ebenfalls günstiger sind. 

Die Temperaturen im Inneren der Kammern werden durch Hochleistungs-Temperiersysteme zur Verfügung gestellt. In der als Shroud bezeichneten Temperierwand, die den Prüfling zylinderförmig umgibt, wird das Temperiermedium in einem geschlossenen Kreislauf umgewälzt. Ein Temperaturintervall von –80 °C bis +180 °C kann z. B. über ein wärmeleitendes Öl als Medium erzeugt werden. Dieses wärmeleitende Öl wird je nach Anforderung mithilfe eines Kältemittels gekühlt oder elektrisch erhitzt. Niedrigere Temperaturen können z. B. mittels Stickstoff im Shroud erreicht werden. Neben dieser durch Abstrahlung des Shrouds vermittelten Temperatur kann im Prüfbereich darüber hinaus eine thermische Platte installiert sein, auf die der Prüfling positioniert wird. So können auch geleitete Wärmeübertragungen simuliert werden.

Testverfahren

Zusätzlich zu den Sensoren des Satelliten werden zahlreiche weitere platziert, die u. a. die Temperaturentwicklung engmaschig kontrollieren. Neben der Lieferung aller Messdaten sorgen sie auch für die nötige Sicherheit des Prüflings. Drohen Komponenten durch eine Überhitzung Schaden zu nehmen, wird die Temperatur im Inneren der Kammer sofort gesenkt. 
Im Thermal-Balance-Test wird insbesondere die Temperaturverteilung im Inneren des Satelliten ermittelt und mit den Berechnungen des Thermalmodells verglichen. Bei abweichenden Ergebnissen können zum Beispiel reflektierende Elemente an der Oberfläche des Satelliten entfernt werden, zusätzliche Heizelemente eingebaut oder die Isolierung einzelner Komponenten optimiert werden. Der Thermal-Cycling-Test überprüft die Funktionstüchtigkeit des Prüflings nach einer definierten Anzahl von Zyklen mit wechselnden Temperaturniveaus. Belastungs- und Stresstests geben darüber hinaus Aufschluss darüber, welche Auswirkungen Extrembedingungen auf den Prüfling haben.

Fazit:

Satelliten sind für eine global vernetzte Welt unverzichtbar. Sie müssen über mehrere Jahre zuverlässig und wartungsfrei unter Extrembedingungen arbeiten, um rentabel zu sein. Hochleistungs-Temperiersysteme wie die PRESTO-Reihe von JULABO stellen in Thermal-Vakuum-Kammern die enormen Temperaturen bereit, mit denen Satelliten sowie alle für das All bestimmten Systeme und Komponenten zuverlässig und reproduzierbar getestet werden. Die PRESTO-Geräte sind einfach in der Bedienung und dank eines durchdachten, modularen Zubehörsortiments extrem flexibel und an spezifische Anforderungen anpassbar. Unsere Experten für die Bereiche Luft- und Raumfahrt stehen Ihnen jederzeit für Fragen zur Verfügung. 

2019-10-18-Fachartikel Weltraum A4 DE
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